Grundkompetenzen: Der Bericht

Im Auftrag des SBFI eruierte der Verband der Schweizerischen Volkshochschulen VSV die wichtigen Themen betreffend Förderung des Erwerbs und Erhalts von Grundkompetenzen Erwachsener (GKE).

Er führte Gespräche mit allen Kantonen, den Dachverbänden der Weiterbildung sowie der Interessengemeinschaft Grundkompetenzen. Er befragte online eine grosse Zahl von Bildungsanbieterinnen und -anbietern.

Der Bericht formuliert Empfehlungen zuhanden der Arbeitsgruppe, die das Grundsatzpapier für die Förderung von GKE 2021-2024 vorbereitet.

Gebündelt ergeben sich 10 Folgerungen:

(1)

Das Thema ist gesetzt: Die GKE stehen auf der Agenda der Bildungspolitik, ein Instrumentarium zu ihrer Förderung besteht. Aber das Tabu ist noch nicht gebrochen. Empfehlung: Die Arbeitsgruppe für das zweite Grundsatzpapier 2021-2024 entwickelt die Förderung weiter, u.a. indem sie einen Strategieprozess initiiert (siehe Ziffer 4.5).

(2)

Inhalt und Verständnis der GKE werfen Fragen auf: Nicht durchwegs klar sind die Inhalte. Offen bleibt bisher, wie weit die GKE über die Bedeutung in der Arbeitswelt hinaus auch der Bewältigung des Alltags und konkreter Aufgaben (z.B. Elternschaft) sowie der Teilhabe an der Gesellschaft, der Kultur und der Politik dienen sollen. Empfehlung: Verdeutlichung des Verständnisses und Differenzierung der Angebote.

(3)

Das Zusammenspiel von Spezialgesetzgebung und Weiterbildungsgesetz funktioniert nicht: Es besteht keine gesamtheitliche Betrachtung und koordinierte Förderung der GKE gemäss Spezialgesetzen und WeBiG. Empfehlung: Die nationale Steuergruppe der Interinstitutionellen Zusammenarbeit (IIZ) erarbeitet mit den Kantonen ein Gesamtbild und konzipiert Massnahmen zur Lückenschliessung durch das WeBiG.

(4)

Die Daueraufgabe braucht sorgsamen Aufbau: Die Förderung der GKE ist ein neuer Bildungsbereich, der nicht wieder verschwinden wird; es lohnt sich, ihn gut einzurichten und nachhaltig auszustatten. Empfehlung: Die Kantone sorgen für die nötigen Strukturen, allenfalls Einführungsgesetze zum WeBiG und die Ausbildung von Kursleitenden. Der Bund sorgt für die erforderlichen Mittel.

(5)

Die Modelle sollen in den Kantonen „bottom up“ entwickelt werden: Als Daueraufgabe soll der Bereich Förderung der GKE optimal in das Bildungswesen des einzelnen Kantons eingepasst werden; der durch das WeBiG „top down“ gegebene Impuls ist durch „bottom up“- Initiativen der Kantone zu ergänzen. Empfehlung: Gegenstück zur Freiheit der Kantone ist deren Unterstützung und Begleitung durch das SBFI bei der Entwicklung u.a. von Programmvereinbarungen und die ständige Koordination der einzelnen Massnahmen im Sinne gesamtschweizerischer Mindeststandards.

(6)

Es braucht mehr Mittel des Bundes und der Kantone: Wird die Förderung systematisiert und greift die Sensibilisierung, reichen die derzeit verfügbaren Mittel nicht. Empfehlung: Der Bund stockt für 2021-2024 die Kredite deutlich auf, ändert den Verwendungsschlüssel und prüft, wie die Planungssicherheit der Kantone erhöht werden kann (geringere Abhängigkeit von der Subventionierung in Vier-Jahres-Perioden). Die Kantone prüfen die Aufstockung ihrer eigenen Mittel.

(7)

Die Sensibilisierung bewirkt noch zu wenig: Trotz aller Anstrengungen ist es die Herausforderung, die „betroffenen“ Personen ausfindig zu machen. Empfehlung: Die Massnahmen werden verstärkt (u.a. durch regelmässige gesamtschweizerische Kampagnen, die der Bund im Wesentlichen finanziert) und differenziert (u.a. durch Weiterführung und Ausweitung des Botschafterprojekts). Ebenso wichtig sind persönliche Beratung und aufsuchende Aktivitäten.

(8)

Zentral sind Beratung und individuelle Bildungswege: Jeder „betroffenen“ Person mangelt es punkto GKE an etwas anderem bzw. fehlen GKE zu unterschiedlichen Zielen; deshalb sind Norm-Kurse bedingt zweckmässig und erfolgversprechend. Empfehlung: Ausgangspunkt ist nach Möglichkeit eine individuelle Standortbestimmung gefolgt von einem persönlichen Bildungsplan und dessen Finanzierung unter Nutzung der auch in Spezialgesetzen liegenden Potentialen; sofern sinnvoll kommt ergänzend eine Begleitung oder ein Coaching hinzu.

(9)

Innovation wird nicht unterstützt: Das WeBiG erlaubt die Förderung von Projekten zur Weiterentwicklung des Bereichs GKE nur in äusserst engen Grenzen. Empfehlung: Das SBFI prüft die Möglichkeit der Projektfinanzierung. Ein Vorschlag: 20% der Bundessubventionen gehen nicht an die Kantone, sondern an die IKW, die damit übergreifende Vorhaben fördert.

(10)

Auf wichtige Fragen, zugespitzt formuliert, fehlen Antworten, so zum Beispiel:

  • Was bedeutet es für die Förderung, wenn nur 1 von 100 „betroffenen“ Personen erreicht wird?
  • Was bedeutet es für die „betroffenen“ Menschen, ihre Nützlichkeit unter Beweis stellen zu müssen?
  • Wertet das Muster „Wir bringen Euch Bildung“ letztlich die „Gebildeten“ auf- und die „zu wenig Gebildeten“ ab?
  • Würde es die Bereitschaft zur Weiterbildung stärken, wenn auch den “Betroffenen“ zugebilligt würde, etwas anzubieten zu haben?
  • Müsste die GKE Lesen und Schreiben ergänzt werden um eine GKE Schreiben bei Absendern von Mitteilungen, die für die Bewältigung des Alltags essentiell sind (z.B. Steuerverwaltungen, AHV Ausgleichskassen, Krankenversicherungen)?

Der Bericht mündet in 27 Empfehlungen an die Kantone, die Erziehungsdirektorenkonferenz, das SBFI, die nationale Steuergruppe Interinstitutionelle Zusammenarbeit, die Anbieter/innen, die Organisationen der Weiterbildung und – in erster Linie – die Arbeitsgruppe, die das Grundsatzpapier für die Förderung der GKE in den Jahren 2021-2024 vorbereiten wird.