6. Heute und morgen

1992 setzte der Kanton Bern das erste Erwachsenenbildungsgesetz der Schweiz in Kraft. Jede bernische Gemeinde war verpflichtet, zumindest ihre Räume gratis für Veranstaltungen deruth wr Erwachsenenbildung zur Verfügung zu stellen. Im Zug von Sparmassnahmen im Bildungswesen und aufgrund des neuen Bundesgesetzes über die Berufsbildung wurde die Erwachsenenbildung dann auch im Kanton Bern immer mehr der beruflichen Weiterbildung angeglichen; das Pioniergesetz wurde aufgehoben, die Verpflichtung der Gemeinden entfiel. Auch auf nationaler Ebene waren ab den 1990er-Jahren Umwälzungen in Gang: 1992 war die Zuständigkeit zur finanziellen Unterstützung der gesamtschweizerischen Organisationen der Erwachsenenbildung von der Stiftung Pro Helvetia an das Bundesamt für Kultur (BAK, zuerst Amt für kulturelle Angelegenheiten) im Eidgenössischen Departement des Innern übergegangen.

Um die Bedeutung der Erwachsenenbildung zu untermauern, entstand in den späten 1990er-Jahren der von Philipp Gonon und André Schläfli verfasste Bericht über Weiterbildung in der Schweiz. Darin wurden die kulturelle Erwachsenenbildung, die berufsbezogene Fortbildung und die karriereorientierte Weiterbildung als unterschiedliche, aber komplementäre Bereiche um- und beschrieben. Der Bericht kommt mit Blick auf die Kantone unter anderem zum Schluss, dass die Erwachsenenbildung in der Schweiz „wenig einheitlich“ ist und „auf eine Vielzahl von Akteuren und Strukturen verteilt“ sei.[1]

Im Mai 2006 nahmen die schweizerischen Stimmberechtigten die neuen Bildungsartikel für die Bundesverfassung an. Darin wurde die Schweiz neu als einheitlicher Bildungsraum definiert, Bund und Kantone sollen ihnen gemeinsam gestalten. In den neuen Artikeln enthalten war mit Art. 64a ein neuer Absatz zur Weiterbildung in die Bundesverfassung: Demnach lege der Bund die Grundsätze über die Weiterbildung fest. Endlich war die Basis für ein nationales Weiterbildungsgesetz gelegt. Nach hartem Ringen darum, dass der Bund endlich den Verfassungsauftrag erfülle, erarbeitete eine Expertenkommission den ersten Entwurf des Weiterbildungsgesetzes. Im Vorfeld dazu war der Präsident des VSV vom SVEB beauftragt worden, einen Gesetzesentwurf zu verfassen, um die Diskussion zu alimentieren. Die Verhandlungen waren zäh, aber erfolgreich: Am 20. Juni 2014 beschlossen die eidgenössischen Räte das Bundesgesetz über die Weiterbildung (WeBiG), das am 1. Januar 2017 in Kraft trat. ((Link zu WeBiG: https://www.admin.ch/opc/de/official-compilation/2016/689.pdf))

Das WeBiG verzichtet auf eine positive Umschreibung der Weiterbildung. Es versteht Weiterbildung ohne nähere Inhalte als nicht-staatliche und nicht-formale Bildung. Der Bund beschränkt die Förderung der Weiterbildung auf den Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen Erwachsener. Dazu gehören Lesen und Schreiben, mündliche Ausdrucksfähigkeit in einer Landessprache, Alltagsmathematik und Anwendung der Informations- und Kommunikationstechnologien. Dabei setzt der Bund primär auf Fördermassnahmen in Spezialgesetzen, so zum Beispiel im Ausländergesetz, Arbeitslosenversicherungsgesetz, Berufsbildungsgesetz, Invalidenversicherungsgesetz oder in der Sozialhilfegesetzgebung.

Bildungsmassnahmen überlässt er primär den Kantonen, die er dafür zu maximal der Hälfte ihrer Aufwendungen subventioniert. Konkret lauten die Ziele zur Weiterbildung im WeBiG, Art. 4:

  1. «die Initiative des Einzelnen, sich weiterzubilden, unterstützen;
  2. Voraussetzungen schaffen, die allen Personen die Teilnahme an Weiterbildung ermöglichen;
  3. die Arbeitsmarktfähigkeit gering qualifizierter Personen verbessern;
  4. günstige Rahmenbedingungen für die öffentlich-rechtlichen und die privaten Anbieterinnen und Anbieter von Weiterbildung schaffen;
  5. die Koordination der vom Bund und Kantonen geregelten und unterstützten Weiterbildung sicherstellen;
  6. die internationalen Entwicklungen der Weiterbildung verfolgen, die nationalen und internationalen Entwicklungen vergleichen und mit Blick auf ihre Wirksamkeit beurteilen.»[2]

Das WeBiG zementierte einen Trend, der sich bereits zur Jahrtausendwende abgezeichnet hatte: Unterstützung gibt es vom Bund – und zunehmend von den Kantonen – nur noch für «nützliche» Leistungen in der Grundbildung, aber nicht mehr für wissenschaftlich-kulturelle Allgemeinbildung oder Sprachen jenseits von Deutsch (oder Französisch oder Italienisch) für Fremdsprachige.

Der VSV seinerseits erhält vom eidgenössischen Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) als nationaler Dachverband im Rahmen einer Leistungsvereinbarung Subventionen für seinen Beitrag an die Entwicklung der Bildungspolitik, an die Qualitätssicherung und -entwicklung der Volkshochschulen wie zum Beispiel Weiterbildung sowie für einzelne Sonderaufgaben, nicht aber für seine politische und vernetzende Tätigkeit. Er gehört damit neben dem Dachverband Lesen und Schreiben und dem SVEB eine von drei nach WeBiG subventionierten Organisationen.

Die Schweizer Volkshochschullandschaft bleibt aber nach wie vor vielfältig strukturiert. Die VHS lassen sich in drei Typen unterteilen:

  1. VHS, die als öffentliche Bildungsinstitutionen wahrgenommen und dadurch (mit Ausnahme von Zürich) von der öffentlichen Hand via Leistungsvereinbarungen unterstützt werden – primär in den grösseren Städten.
  2. VHS, die auf Ehrenamtlichkeit basieren, primär Vereine in mittleren Städten und in Dörfern.
  3. Die Corsi per adulti im Tessin, die kantonsweit sowie im bündnerischen Misox organisiert und in die staatliche Verwaltung eingegliedert sind.[3]

Gemeinsam ist allen Volkshochschulen, dass sie sich für eine allgemeinbildende Bildung einsetzen. Die Vielfalt an verschiedenen Kursinhalten und didaktischen Formen bleibt nach wie vor gross.

Links

Delegierte an der Mitgliederversammlung 2002 stimmen ab. Quelle: Archiv VSV, Schachtel 6

Auch leichte Ironie gibts im VSV. Ein kleines Video.

Fussnoten

[1] Schläfli/Gonon 1999.
[2] WeBiG, Art. 4.
[3] Gespräch mit Christoph Reichenau zu Gegenwart und Zukunft der VHS vom 2. Mai 2018.