7. Blick in die Zukunft

Was hat sich seit der Einführung des WeBiG geändert? Wie sieht die Zukunft der VHS in der Schweiz aus? Welche Funktion hat dabei der VSV? Drei Fragen an den Verbandspräsidenten Christoph Reichenau, gestellt am 2. Mai 2018

Was hat sich seit der Einführung des Weiterbildungsgesetztes am 1. Januar 2017 für den VSV verändert?

Der VSV und die VHS werden wahrgenommen. Und zwar mit ihren zwei Standbeinen Allgemeinbildung und Grundkompetenzen. Durch die kulturell-wissenschaftliche Allgemeinbildung bringen wir eine Qualität in die Weiterbildungslandschaft, die es sonst nicht gibt. Das Engagement der VHS zugunsten der Grundkompetenzen dreht sich um Fähigkeiten wie Schreiben, Lesen, IKT-Kenntnisse, Mathematik. Bundesmittel fliessen allerdings nur hier. Verbal ist also viel Goodwill für die Allgemeinbildung vorhanden, finanziell aber nur für die Grundkompetenzen. Momentan wird der VSV mit 204 000 Franken im Jahr subventioniert (siehe voranstehenden Text). Der VSV erfüllt dafür bestimmte Aufgaben, die in einer Leistungsvereinbarung festgehalten sind. Dazu gehören in der Periode 2017–2020 neben der VSV-internen Weiterbildung für Dozierende und administrativ Tätige zum Beispiel die Durchführung eines Pilotprojekts für aufsuchende Bildungsarbeit durch Bildungsbotschafter, die Ausarbeitung eines Berichts über die Zukunft der Grundbildung und die Befassung mit Bildungsbedürfnissen der Menschen im Alter 65plus. Ein Teil dieser Aufgaben wird mit einzelnen VHS zusammen erfüllt.

Die VSH sind humanistisch ausgerichtet. Der Markt will Kompetenzen, das Weiterbildungsangebot funktioniert nach marktwirtschaftlichen Prinzipien. Wie begegnen die VHS diesen Gegensätzen?

VHS erbringen eine Leistung, die mehr und mehr verteidigungsbedürftig zu sein scheint, die aber die ganz ursprüngliche Idee von Erwachsenenbildung – das Wort gibt es kaum mehr, alles ist «Weiterbildung» – vertritt. Wir stehen ein für das zweckfreie Wissen. Im Zentrum steht das Interesse der Leute, etwas besser verstehen zu können, einen Sachverhalt oder Fachbereich zu durchdringen beziehungsweise schlicht aus Freude zu verstehen. Man muss nicht mit allem Wissen beruflich oder ausserberuflich direkt etwas anstellen können.

Je grösser allerdings eine VHS ist, desto eher tut eine VHS gut daran, im Grundkompetenz-Bereich Leistungen für die Gesellschaft zu entwickeln. Nebst Schreiben, Lesen, IKT und Mathematik gehören auch alle möglichen Kommunikationskompetenzen dazu. Hier können Konkurrenten zu Partnern werden.

Was sind die Funktionen des VSV in der Gegenwart – und in der Zukunft?

Der Verband muss Treuhänder sein für alle VHS. Dies gilt auch für VHS in Kantonen, in denen VHS finanziell gesehen keine Zukunft mehr haben. Die VHS sollen mit unserer Unterstützung qualitativ gute Arbeit leisten können. Wir diskutieren gegenwärtig, wie wir die Qualität sichern und zertifizieren wollen. Dies kann ein anerkanntes oder auch ein VSV-Label sein. Es geht dabei nicht um Geld, sondern um Qualität.

Auf der nationalen Ebene müssen wir versuchen, die Individualität der Grundkompetenzbedürfnisse zu gewährleisten. Das heisst, dass nicht die Personen zu den Kursen passen müssen, sondern umgekehrt. Zuerst sollen zusammen mit den Interessierten Ziele definiert und schliesslich ein Bildungsplan erstellt werden. Im Idealfall kann dieser an VHS umgesetzt werden, aber vielleicht auch an anderen Orten. Es geht uns also im Bereich der Grundkompetenzen um das Prinzip: «Weg von der Norm, hin zur Individualität.»

Im Bereich der kulturellen Allgemeinbildung werden unsere Mitglieder weiterhin die angestammten Bildungsformate nutzen.  Wir finden erstaunlicherweise immer gute Leute, die dies auch für einen bescheidenen Lohn machen! An einer VHS kann jeder seine Passion, seine Idee, einbringen – natürlich mit einem Minimum an methodischer Befähigung. Deshalb ist die Qualitätsdiskussion zentral. VHS geben damit auch den vielen unbekannten Spezialisten eine Plattform für kulturelle Vermittlung.

Christoph Reichenau, Präsident des VSV seit 2013